Kognitive Empathie und Führen auf Distanz
Kognitive Empathie - Ein Tool für Führungskräfte
Vor fast einem Jahr erreichte das Home Office für viele von uns einen deutlich höheren Stellenwert als jemals zuvor. Recht schnell haben wir uns mit den technischen Tools für den digitalen Austausch vertraut gemacht. Sie sind größtenteils Routine geworden. Prozesse haben sich eingespielt, Aufgaben werden erledigt.
Dem Ziel, Abstand zu halten, persönlichen Kontakt zu vermeiden, um die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen, sind wir damit im beruflichen Umfeld nähergekommen. Und genau das macht uns zu schaffen: Es fehlt die persönliche Begegnung, der Plausch an der Kaffeemaschine, der Zuruf auf dem Flur, der kurze private Austausch über die Pläne zum Wochenende, die Pausen zu zweit oder in der Gruppe.
Diese kleinen Episoden haben einen hohen sozialen Wert. Wir vermissen unsere Netzwerke in der persönlichen Zusammenarbeit, den gemeinsamen Spaß bei der kreativen Suche nach Ideen, dem Erarbeiten von Lösungen, dem Feiern von Erfolgen. Routinen brechen weg. Dazu kommen häufig Sorgen um die Zukunft, viele offene Fragen und die jeweiligen Herausforderungen in unserem Privatleben.
Die Pandemie stellt für fast jeden von uns eine hohe emotionale Belastung dar. Wie können wir als Führungskraft unsere Mitarbeiter*innen unterstützen? Wie führen wir auf Distanz?
Ein wirksames Tool ist die kognitive Empathie.
Die gute Botschaft zuerst: Sie ist teilweise erlernbar. Empathie wird im Sprachgebrauch oft mit Mitgefühl oder Mitleid gleichgesetzt, im Duden allgemein als „Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen“ beschrieben. Wir unterscheiden die emotionale, die soziale und die kognitive Empathie. Zwischen der emotionalen und der sozialen Empathie gibt es fast einen fließenden Übergang.
Wer über kognitive Empathie verfügt, hat die Fähigkeit sich in die Gedanken und Gefühle eines Menschen hineinzuversetzen, die Rolle und die Position aus dessen Sicht zu betrachten. Die Abgrenzung zu den anderen Formen besteht darin, dass kognitive Empathie die Gefühle des Gegenübers zwar nachvollziehen kann, sich aber nicht anstecken lässt. Damit eröffnen sich kreative Ideen, Lösungen und neue Perspektiven. Kognitive Empathie nimmt einen positiven Einfluss auf unseren Führungsstil und ermöglicht echte Unterstützung und Motivation für unsere Mitarbeiter*innen.
Ein paar Tipps, wie Sie empathisch führen können - besonders in der aktuellen Situation und beim Führen auf Distanz.
Neue Routinen aufbauen
Schaffen Sie feste Abläufe und setzen Sie tägliche Fixpunkte. Das kann ein morgentlicher gemeinsamer digitaler Start für 15 Minuten sein. Nutzen Sie diese für Small Talk, gemeinsames Kaffee- und Teetrinken, Lachen, positive Informationen. Sachthemen spielen eher eine untergeordnete Rolle. Natürlich ist auch die nachmittägliche Runde denkbar.
Machen Sie wöchentliche Video-Meetings und schicken Sie eine Zusammenfassung zum Stand der Aufgaben und Projekte. Schließen Sie die Woche zum Beispiel mit einem Video-Meeting ab, indem alle Teilnehmer*innen ihr schönstes Erlebnis der Woche in wenigen Sätzen erzählen.
Schauen Sie hin, hören Sie zu
Wie geht es meinen Mitarbeiter*innen wirklich? Wie hören Sie sich an? Nehmen Sie die Zwischentöne wahr. Wie wirken meine Mitarbeiter*innen? Achten Sie auf Mimik und Gestik, Ausstrahlung und Motivation, auf Veränderungen, auch schleichende.
Führen Sie Einzelgespräche
Sprechen Sie Ihre Wahrnehmungen an. Achten Sie dabei bitte besonders auf Ihre Wortwahl. Wenn Ihnen eine Mitarbeiterin etwas geknickt vorkommt, schildern Sie Ihren Eindruck. „Auf mich wirkst du in den letzten Morgenrunden etwas zurückgenommen, weniger agil? Wie geht es dir? Zeigen Sie echtes Interesse und hören Sie aktiv zu.
Stellen Sie die richtigen Fragen
Nutzen Sie offene, motivierende, skalierende oder hypothetische Fragen und seien Sie offen für die Antworten. Zeigen Sie echtes Interesse und bleiben Sie am Ball. Stellen Sie weiterführende Fragen und nähern Sie sich so gemeinsam dem aktuellen Thema. Etwas Fingerspitzengefühl verhindert ein als übergriffig empfundenes Nachbohren.
Erarbeiten Sie gemeinsam Lösungen
Ein floskelhaftes Das wird schon… hilft bei Problemen selten weiter. Im Gegenteil, es wird oft als Desinteresse interpretiert. Zeigen Sie Ihren Mitarbeiter*innen Wege und Lösungen auf. Im Optimalfall erarbeiten Sie diese gemeinsam. Je besser Sie Ihre Mitarbeiter*innen kennen, umso besser kann Ihre Unterstützung greifen.
Nutzen Sie jede Chance zum Motivieren
Treffen Sie klare Absprachen, geben Sie Anerkennung und Bestätigung für kleine und große positive Ergebnisse. Werten Sie Aufgaben aus, zeigen Sie die Fortschritte in Ihren aktuellen Projekten auf. Feiern Sie gemeinsam Ihre Erfolge – gerne in einem Video-Meeting. Machen Sie ein paar mehr Worte und berichten Sie von eigenen Erfahrungen.
Reflektieren Sie sich selbst
Welche Fragen stelle ich? Höre ich aufmerksam zu? Setze ich die Gesprächstechniken und die vielen kleinen Bausteine der Kommunikation wirksam ein? Bereiten Sie Ihre Gespräche vor. Überlegen Sie sich, was Sie mit welchen Mitteln erreichen wollen und mit wem Sie sprechen. Passt Ihr Gesprächsstil zu der jeweiligen Persönlichkeit? Visualisieren Sie und schließen Sie Ihre Gespräche möglichst positiv ab.
Halten Sie die Balance
Wichtig ist eine Balance aus kognitiver Empathie und Effizienz. Eine Übertreibung einer Seite führt zu einem Ungleichgewicht und damit am Ziel vorbei.
Achten Sie auf sich selbst
Halten Sie Haus mit Ihrer Energie. Kognitive Empathie kostet sehr viel Kraft. Schaffen Sie sich selbst einen Ausgleich und stärken Sie so Ihre Ressourcen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Nutzen Sie bei Bedarf externe Unterstützung. Nehmen Sie gerne Kontakt zu mir auf und stellen Sie Ihre Fragen. Gemeinsam finden wir einen Weg, um Ihre Themen zu bearbeiten und Ihre kognitive Empathie auszubauen.
Am 28. Januar 2021 biete ich einen 90minütigen digitalen Workshop in kleiner Runde an. Ich freue mich auf Ihre Anmeldung.
Herzliche Grüße
Cornelia Dill